Malerei als plastischer Prozess

Malerei als plastischer Prozess

Manisha Jothady
Kunstkritikerin

 

Im Rückblick erscheint der Ausstellungstitel, mit dem Eduard Tauss eine Solopräsentation vor rund 20 Jahren in einer Wiener Galerie überschrieben hat, programmatisch: „itself“ lautete dieser und bezog sich auf eine Reihe von monochromen Bildobjekten und an die Wand applizierten Farbflächen aus Kunstharz, die im Sinne der L’art pour l’art ihre Autonomie und Selbstbezüglichkeit behaupteten.¹ Seitdem hat der Künstler konsequent an einem erweiterten Malereibegriff weitergearbeitet, den „Ausstieg aus dem Bild“², wie es der Kunsthistoriker Laszlo Glozer 1981 mit Blick auf die zunehmende Hybridisierung der Gattungen formulierte, vollzogen. Die Verweigerung eines Narrativs, das sich auf ein Außerhalb der Arbeiten und deren Entstehungsprozess richten könnte, bildet dabei nach wie vor eine Konstante in seinem Werk, ebenso die materielle Substanz, auf der seine Arbeiten basieren – pigmentiertes Polyurethan.

„Meine Ideen kommen aus der Malerei, selbst wenn ich nicht male“³, sagte Donald Judd einst und verdeutlichte damit, wie sehr Aspekte der Malerei in das Konzept einer interdisziplinären Kunstpraxis einfließen können. Auch Eduard Tauss’ Kunst basiert auf diesem Ansatz. In seinen Arbeiten treten Farbe, Textur und Licht als wesentliche Parameter hervor, wenngleich der Herstellungsprozess ein bildhauerischer ist. Der Künstler gießt den flüssigen und meist monochrom eingefärbten Kunststoff in eigens angefertigte Becken und lässt das Material nur bis zu jenem Grad aushärten, an dem es noch formbar ist. Er dekliniert die Bandbreite von offenen zu geschlossenen Formen durch, von sich mehr in der Fläche entfaltenden zu dreidimensionalen Arbeiten. Werkgruppen wie „Farbplatten“ und „Offene Formen“ lassen sich unmittelbar mit Malerei assoziieren, während andere, darunter Tauss’ „Farbkörper“, durch Ausbuchtungen und Eindellungen, Drehungen und Faltungen, Ein- und Umstülpungen deutlich objekthaft ausformuliert sind. Der Formbildungsprozess lässt sich dabei nur bedingt steuern. Denn bei der Übertragung von der flachen Farbmasse aus der Gussvorrichtung in ein dreidimensionales Farbobjekt im Raum entfalten Bewegung und Schwerkraft ihre Wirkung. Sie setzen eine Materialdynamik frei, die sich als Farb- beziehungsweise Materialspuren in den ausgehärteten Zustand der Objekte einschreibt. Der plastischen Formwerdung wohnt bei Eduard Tauss somit immer eine vorangegangene Aktion, ein performatives Moment inne. Die abstrakten Gebilde erscheinen dabei wie inmitten ihrer Metamorphose erstarrt. Ein Vorgang, der an den fotografischen Schnappschuss erinnert, an das Einfrieren eines Handlungsablaufs im entscheidenden Augenblick.

Eduard Tauss hat die Farbe von der Leinwand befreit, indem er sie mit dem Trägermaterial amalgamiert. Gleichzeitig gesteht er dem Ausgangsmaterial ein Eigenleben zu, überlässt die Formfindung ein Stück weit den Plastiken selbst. Die Arbeiten des Künstlers hängen und lehnen an der Wand, werden am Boden und auf Sockeln platziert. Spätestens in der Kombination und Variabilität dieser unterschiedlichen Präsentationsformen lässt der Künstler die Diskussion um gattungsspezifische Abgrenzungen ins Leere laufen. Bei all dem bleibt Farbe per se die unangefochtene, autonome Hauptakteurin seines künstlerischen Tuns.

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1  Eduard Tauss: itself, Galerie Lindner, Wien, 13.11. – 20. 12. 2002.
2  Laszlo Glozer: Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1939, Museen der Stadt Köln, Köln, 1981.
3  Das Zitat ist dem Katalog zur Ausstellung „Malerei ohne Malerei“ vorangestellt, hg. v. Dirk Luckow, Hans-Werner Schmidt, Museum der bildenden Künste Leipzig, Leipzig, 2002.